MOON (2010)

Eine Hommage

Mit seiner Debutarbeit MOON (2010, Film) liefert Regisseur Duncan Jones inhaltlich und optisch eine Hommage an die Science Fiction vor den siebziger Jahren, eine Hommage an jene Zeit, in der weder Atom-Endzeitszenarien [z.B. THE LAST MAN ON EARTH (1964, Film)] noch öko-Endzeit [z.B. LAUTLOS IM WELTRAUM (1972, Film)] noch Seuchen-Endzeitszenarien [z.B. OUTBREAK (1995)], Einzug in die Science Fiction gehalten haben.
Das Thema von Moon ist die Endzeit-Genetik, [z.B. SCHöNE NEUE WELT (1932, Prosa), TRäUMEN ANDROIDEN VON ELEKTRISCHEN SCHAFEN (1968, Prosa), ICH BIN LEGENDE (1971, Prosa), DIE INSEL (2005, Film)] ein seit Aldous Huxley bis heute dauerpräsentes Thema um Ethik bzw. Menschenwürde auf der einen Seite und gewinnorientierter Industrialisierung auf der anderen Seite.

Sam Rockwell alias Sam Bell ist der einzige Hauptdarsteller dieses Films, der seit nun mehr drei Jahren ganz alleine auf der Mondstation den vollautomatischen Abbau des für die Erde notwendigen Rohstoffes Helium-3 überwacht und der, physisch und psychisch stark ausgebrannt, seiner bevorstehenden Rückkehr auf die Erde entgegenfiebert. Nach einem schweren Unfall, durch den er halb tot in dem Wrack seines Mondfahrzeugs gefangen wird, ist es plötzlich sein eigener Doppelgänger, der ihn befreit und auf die Krankenstation der Mondstation transportiert. Getty, Robotergehilfe und einziger Gesprächspartner von Sam, hat in dem Glauben, selbiger habe den Unfall nicht überlebt, einen Clon von Sam aktiviert, um Sams Funktion auf der Station zu ersetzen und ein Reparaturteam angefordert, um den Schaden zu beseitigen. Lange sind die beiden Männer unfähig, einander zu akzeptieren oder auch nur zu begreifen, wie der andere existieren kann und versuchen, sich gegenseitig zu ignorieren. Als sie sich schließlich doch miteinander auseinandersetzen und beschließen, eine Lösung für das Rätsel ihrer Koexistenz zu finden, entdecken sie in einem riesigen unterirdischen Geheimbereich zahlreiche weitere nicht aktivierte Sam Bell Klone und erkennen, daß auch sie selbst nur Klone sind, von dem gigantischen Konzern Lunar Industries einzig und allein zu dem Zweck geschaffen, den reibungslosen Abbau des Helium-3 zu überwachen. Die Erinnerungen, der Arbeitsvertrag, die Vorfreude auf die Rückkehr zu Frau und Kind - alles sind nur implantierte Erinnerungen des echten Sam Bell. Doch wie lange währt dieser Zustand schon? Wie viele Klone gab es vor Ihnen?
Als sie die Kommunikationsstörung mit der Erde, die nun mehr einzige Möglichkeit, herauszufinden, wie viel Zeit auf der Erde wirklich schon vergangen ist, umgangen haben, erreicht der Film seinen psychologischen Höhepunkt: Bei seinem Anruf zum Ort seiner Sehnsucht, Sams vermeintlich vor drei Jahren verlassenes Zuhause, sieht er sich plötzlich der fast schon erwachsenen Tochter gegenüber und die geliebte Ehefrau ist schon vor Jahren gestorben. Als erstere nach ihrem Vater ruft, vermutlich dem echten Sam Bell, bricht der Sam Bell Klon das Gespräch ab und setzt seinen Leidensgenossen in Kenntnis.
Beide Klone begreifen, daß sie von Lunar Industries nur als Arbeitskraft benutzt wurden und in grausamer Verachtung nicht nur um ihre Identität, sondern auch um ihre Hoffnung gebracht wurden. Und die Zeit arbeitet gegen die beiden Männer. Erstens haben die Klone allem Anschein nach eine auf etwa drei Jahre begrenzte Lebenserwartung und zweitens wurde doch ein Reparaturteam zur Beseitigung der Unfallschäden angefordert, das bald eintreffen wird und dem die Klone wohl besser nicht begegnen sollten.
Und gerade hier macht der Film die erste überraschende Wendung: Während in früherer Science Fiction der Einzelne gegen den übermächtigen Großkonzern scheitert [wenn z.B. ein Charlton Heston in SOYLENT GREEN (1973, Film) angesichts seiner völligen Unterlegenheit und Hoffnungslosigkeit das Unrecht in den Himmel schreit und scheitert] entwickeln die beiden Sam-Klone einen Plan, das ihnen widerfahrene Unrecht publik zu machen.
Und hier geschieht die zweite unerwartete Wendung: Robotergehilfe Getty erweist sich nicht etwa als erbitterter eiskalter Computergegner [z.B. 2001 - ODYSSEE IM WELTRAUM (1968, Film), TERMINATOR (1984, Film)], sondern vielmehr als eine komplexe Person mit Ethik und Gewissen, die helfen möchte und dabei sehr an jene selbstlosen, den Robotergesetzen Asimovs unterworfenen, Maschinen erinnert, die mindestens so ethisch handeln wie die Menschen selbst. [Ich, der Robot (1950, Prosa)]
Während sich der zweite und somit jüngere Klon mit einer Ladung Helium-3 als blinder Passagier auf die Erde schießt, begiebt sich der mittlerweile totkranke erste Klon zurück an den Unfallort, um dort seinen genetisch programmierten Tod zu erwarten. Da aber vorher noch für die Zerstörung jener Sabotagemaßnahmen, welche die Kommunikationsstörung mit der Erde vorgetäuscht hatten, gesorgt wurde, ist es absehbar, daß der nun aktivierte nächste Klon recht bald ebenfalls den Betrug bemerken wird.
Im Abspann wird noch berichtet, daß Klon 2 erfolgreich die Erde erreicht hat und sich Lunar Industries nun mit einer Anklage konfrontiert sieht, die zum Kursabsturz ihrer Aktien führt.

Von Jeromin Fest.